Industry Insights

KI-Krieg der Giganten: Deutsche Medienallianz vs. Google AI Overviews

Die deutsche Medienallianz kämpft gegen Google AI Overviews. Was bedeutet das für Publisher, Traffic und die Zukunft des digitalen Journalismus?

Robin Böhm
23. Januar 2025
10 min read
#AI #Google #Publisher Rights #Ethics & AI #Industry Insights
KI-Krieg der Giganten: Deutsche Medienallianz vs. Google AI Overviews

TL;DR: Deutsche Medienallianz hat im September 2025 eine formelle DSA-Beschwerde gegen Google AI Overviews eingereicht. Vorwurf: Content-Klau ohne Vergütung, Traffic-Diebstahl und Gefährdung der Medienvielfalt.

📰 Die aktuelle Lage: David gegen Goliath 2.0

Mitte September 2025 eskalierte ein Konflikt, der schon länger schwelte: Eine Allianz deutscher Medienunternehmen und NGOs hat bei der Bundesnetzagentur eine formelle Beschwerde gegen Googles AI Overviews eingereicht. Der Kern des Problems? Google nutzt journalistische Inhalte, um KI-generierte Antworten zu erstellen, ohne dafür zu bezahlen oder Traffic zurückzugeben.

Die wichtigsten Fakten auf einen Blick

  • 📅 Zeitpunkt: September 2025, formelle DSA-Beschwerde
  • ⚖️ Rechtsgrundlage: EU Digital Services Act (DSA)
  • 🎯 Hauptvorwurf: Unerlaubte Nutzung journalistischer Inhalte für KI-Antworten
  • 💰 Impact: Massive Traffic- und Umsatzverluste für Publisher
  • 🌍 Parallel-Entwicklung: Erste US-Verlage klagen bereits

Was sind Google AI Overviews eigentlich?

Kurze Auffrischung für alle, die nicht täglich Google-Updates zum Frühstück essen: AI Overviews sind KI-generierte Zusammenfassungen, die direkt in den Suchergebnissen erscheinen. Statt auf einen Link zu klicken, bekommen Nutzer ihre Antwort direkt serviert - praktisch für User, katastrophal für Publisher.

So funktioniert die Content-Verwertung

User-Anfrage → Google AI analysiert Publisher-Content 
→ Generiert Antwort → Zeigt diese prominent an
→ User bleibt bei Google → Publisher geht leer aus

Das Frustrierende daran: Google nutzt den Content, den Journalisten mit viel Aufwand erstellt haben, um ein eigenes Konkurrenzprodukt zu bauen. Es ist, als würde jemand dein Restaurant-Rezept klauen und dann vor deiner Tür den gleichen Burger verkaufen - nur billiger.

Die rechtliche Schlacht: DSA als Waffe

Die deutsche Medienallianz nutzt den Digital Services Act (DSA) als rechtliche Grundlage für ihre Beschwerde. Der DSA ist quasi das neue Schwert im Kampf gegen Big Tech - scharf, europäisch und mit Zähnen.

Kernargumente der Beschwerde

1. Urheberrechtsverletzung

  • Nutzung geschützter Inhalte ohne Lizenz
  • Keine faire Vergütung für Content-Ersteller

2. Wettbewerbsverzerrung

  • Google schafft ein Konkurrenzprodukt zu journalistischen Inhalten
  • Missbrauch der Marktmacht als Suchmaschinen-Monopolist

3. Gefährdung der Medienvielfalt

  • Entzug der wirtschaftlichen Grundlage für Journalismus
  • Langfristige Bedrohung der Informationsvielfalt

Der Traffic-Kollaps: Zahlen, die schmerzen

Lass uns über die brutalen Realitäten sprechen. Die Auswirkungen von AI Overviews auf Publisher-Traffic sind verheerend:

Impact-Metriken

MetrikVor AI OverviewsNach AI OverviewsVerlust
Click-Through-Rate35-40%10-15%-60-70%
Werbeeinnahmen100%30-40%-60-70%
User-EngagementHochMinimal-80%

Was hier wirklich passiert: Google behält die User auf seiner Plattform und monetarisiert die Aufmerksamkeit, während die eigentlichen Content-Ersteller leer ausgehen. Es ist digitaler Kannibalismus in Reinform.

Die Monetarisierungs-Krise

Das alte Modell (funktionierte jahrelang)

  1. Publisher erstellt hochwertigen Content
  2. Google indexiert und rankt den Content
  3. User klickt auf Link → landet beim Publisher
  4. Publisher monetarisiert durch Ads/Abos
  5. Win-Win für alle

Das neue Modell (der Publisher-Albtraum)

  1. Publisher erstellt hochwertigen Content
  2. Google saugt Content für AI Training ab
  3. AI Overview beantwortet Frage direkt
  4. User bleibt bei Google
  5. Publisher: “Wait, what? 😱“

Googles Reaktion: Too Little, Too Late?

Google ist nicht untätig geblieben, aber ihre Reaktion wirkt eher wie Schadensbegrenzung als echte Partnerschaft:

Googles Pilotprojekte

  • Lizenz-Gespräche mit etwa 20 Nachrichtenorganisationen
  • Vage Versprechen über faire Vergütung
  • Betonung auf “Win-Win-Situationen”

Reality Check: Während Konkurrenten wie OpenAI und Perplexity bereits Millionendeals mit Publishern abgeschlossen haben, experimentiert Google noch mit Pilotprojekten. Das ist, als würde man während eines Hausbrands erstmal überlegen, ob man vielleicht eine Sprinkleranlage installieren sollte.

Was können Publisher tun?

Kurzfristige Maßnahmen

1. Technische Abwehr

# Block AI crawlers
User-agent: GPTBot
Disallow: /

User-agent: Google-Extended
Disallow: /

2. Rechtliche Schritte

  • DSA-Beschwerden einreichen
  • Urheberrechtsverletzungen dokumentieren
  • Sammelklagen vorbereiten

3. Alternative Monetarisierung

  • Direktverträge mit AI-Anbietern
  • Premium-Content hinter Paywalls
  • Newsletter-First-Strategien

Langfristige Strategien

Evolution statt Extinction: Publisher müssen sich neu erfinden. Einige vielversprechende Ansätze:

  • Brand Building: Starke Marken, die User direkt ansteuern
  • Community Focus: Aufbau loyaler Communities
  • Unique Value: Content, den KI nicht replizieren kann
  • Direct Relationships: Email-Listen und App-Nutzer

Die Zukunft: Drei mögliche Szenarien

Szenario 1: Der Kompromiss

Google und Publisher finden eine faire Lösung. Lizenzmodelle werden Standard, Publisher bekommen faire Vergütung, AI Overviews zeigen prominente Quellenangaben.

Wahrscheinlichkeit: 40%

Szenario 2: Die Regulation

EU zwingt Google per Gesetz zu fairen Bedingungen. Strenge Auflagen für AI-Content-Nutzung, hohe Strafen bei Verstößen.

Wahrscheinlichkeit: 45%

Szenario 3: Der Kollaps

Viele Publisher gehen unter, Medienlandschaft verarmt, Google dominiert Information komplett. Dystopische Zukunft mit Informationsmonopol.

Wahrscheinlichkeit: 15%

Was bedeutet das für AI-Automation Engineers?

Als AI-Automation Engineer stehst du mittendrin in diesem Konflikt. Hier sind die wichtigsten Takeaways:

Technische Implikationen

  • API-Zugriffe könnten teurer/restriktiver werden
  • Content-Sourcing wird komplexer
  • Compliance-Requirements steigen massiv

Ethische Überlegungen

  • Wie gehen wir fair mit Content-Erstellern um?
  • Welche Verantwortung haben wir als Entwickler?
  • Wie balancieren wir Innovation und Fairness?

Business-Opportunities

  • Lizenz-Management-Tools werden wichtiger
  • Content-Attribution-Systeme als neue Nische
  • Fair-Use-AI-Modelle als Differenzierung

Praktische Next Steps

Für Entwickler

  1. Implementiere Content-Attribution in deinen AI-Systemen
  2. Respektiere robots.txt und Publisher-Präferenzen
  3. Baue faire Monetarisierungs-Modelle ein

Für Unternehmen

  1. Prüfe deine Content-Quellen auf rechtliche Risiken
  2. Schließe Lizenzverträge proaktiv ab
  3. Entwickle Publisher-freundliche AI-Lösungen

Für Publisher

  1. Dokumentiere AI-Traffic-Verluste für spätere Claims
  2. Experimentiere mit AI-Partnerschaften statt Blockade
  3. Baue direkte User-Beziehungen als Absicherung

Fazit: Die Schlacht hat gerade erst begonnen

Der Konflikt zwischen der deutschen Medienallianz und Google ist mehr als nur ein lokaler Streit - es ist ein Präzedenzfall für die globale Zukunft von Journalismus und KI.

Die zentrale Frage lautet: Können Journalismus und KI koexistieren, oder frisst die KI ihre eigenen Informationsquellen auf?

Was wir jetzt brauchen:

  • Faire Vergütungsmodelle, nicht Token-Gesten
  • Transparente AI-Systeme, die Quellen würdigen
  • Nachhaltige Lösungen, die beiden Seiten nutzen

Die nächsten Monate werden entscheidend. Entweder finden wir einen Weg zur Koexistenz, oder wir erleben den Anfang vom Ende des freien Journalismus, wie wir ihn kennen.

Die Ironie dabei? Ohne qualitativ hochwertigen journalistischen Content hätte Google nichts, woraus seine KI lernen könnte. Es ist Zeit, dass Big Tech das erkennt - und entsprechend handelt.


Letzte Aktualisierung: 23.01.2025

Quellen: Corint Media Pressemitteilung, Press Gazette, eMarketer Industry Reports

Geschrieben von Robin Böhm am 23. Januar 2025