TL;DR: Deutsche Medienallianz hat im September 2025 eine formelle DSA-Beschwerde gegen Google AI Overviews eingereicht. Vorwurf: Content-Klau ohne Vergütung, Traffic-Diebstahl und Gefährdung der Medienvielfalt.
📰 Die aktuelle Lage: David gegen Goliath 2.0
Mitte September 2025 eskalierte ein Konflikt, der schon länger schwelte: Eine Allianz deutscher Medienunternehmen und NGOs hat bei der Bundesnetzagentur eine formelle Beschwerde gegen Googles AI Overviews eingereicht. Der Kern des Problems? Google nutzt journalistische Inhalte, um KI-generierte Antworten zu erstellen, ohne dafür zu bezahlen oder Traffic zurückzugeben.
Die wichtigsten Fakten auf einen Blick
- 📅 Zeitpunkt: September 2025, formelle DSA-Beschwerde
- ⚖️ Rechtsgrundlage: EU Digital Services Act (DSA)
- 🎯 Hauptvorwurf: Unerlaubte Nutzung journalistischer Inhalte für KI-Antworten
- 💰 Impact: Massive Traffic- und Umsatzverluste für Publisher
- 🌍 Parallel-Entwicklung: Erste US-Verlage klagen bereits
Was sind Google AI Overviews eigentlich?
Kurze Auffrischung für alle, die nicht täglich Google-Updates zum Frühstück essen: AI Overviews sind KI-generierte Zusammenfassungen, die direkt in den Suchergebnissen erscheinen. Statt auf einen Link zu klicken, bekommen Nutzer ihre Antwort direkt serviert - praktisch für User, katastrophal für Publisher.
So funktioniert die Content-Verwertung
User-Anfrage → Google AI analysiert Publisher-Content
→ Generiert Antwort → Zeigt diese prominent an
→ User bleibt bei Google → Publisher geht leer aus
Das Frustrierende daran: Google nutzt den Content, den Journalisten mit viel Aufwand erstellt haben, um ein eigenes Konkurrenzprodukt zu bauen. Es ist, als würde jemand dein Restaurant-Rezept klauen und dann vor deiner Tür den gleichen Burger verkaufen - nur billiger.
Die rechtliche Schlacht: DSA als Waffe
Die deutsche Medienallianz nutzt den Digital Services Act (DSA) als rechtliche Grundlage für ihre Beschwerde. Der DSA ist quasi das neue Schwert im Kampf gegen Big Tech - scharf, europäisch und mit Zähnen.
Kernargumente der Beschwerde
1. Urheberrechtsverletzung
- Nutzung geschützter Inhalte ohne Lizenz
- Keine faire Vergütung für Content-Ersteller
2. Wettbewerbsverzerrung
- Google schafft ein Konkurrenzprodukt zu journalistischen Inhalten
- Missbrauch der Marktmacht als Suchmaschinen-Monopolist
3. Gefährdung der Medienvielfalt
- Entzug der wirtschaftlichen Grundlage für Journalismus
- Langfristige Bedrohung der Informationsvielfalt
Der Traffic-Kollaps: Zahlen, die schmerzen
Lass uns über die brutalen Realitäten sprechen. Die Auswirkungen von AI Overviews auf Publisher-Traffic sind verheerend:
Impact-Metriken
Metrik | Vor AI Overviews | Nach AI Overviews | Verlust |
---|---|---|---|
Click-Through-Rate | 35-40% | 10-15% | -60-70% |
Werbeeinnahmen | 100% | 30-40% | -60-70% |
User-Engagement | Hoch | Minimal | -80% |
Was hier wirklich passiert: Google behält die User auf seiner Plattform und monetarisiert die Aufmerksamkeit, während die eigentlichen Content-Ersteller leer ausgehen. Es ist digitaler Kannibalismus in Reinform.
Die Monetarisierungs-Krise
Das alte Modell (funktionierte jahrelang)
- Publisher erstellt hochwertigen Content
- Google indexiert und rankt den Content
- User klickt auf Link → landet beim Publisher
- Publisher monetarisiert durch Ads/Abos
- Win-Win für alle
Das neue Modell (der Publisher-Albtraum)
- Publisher erstellt hochwertigen Content
- Google saugt Content für AI Training ab
- AI Overview beantwortet Frage direkt
- User bleibt bei Google
- Publisher: “Wait, what? 😱“
Googles Reaktion: Too Little, Too Late?
Google ist nicht untätig geblieben, aber ihre Reaktion wirkt eher wie Schadensbegrenzung als echte Partnerschaft:
Googles Pilotprojekte
- Lizenz-Gespräche mit etwa 20 Nachrichtenorganisationen
- Vage Versprechen über faire Vergütung
- Betonung auf “Win-Win-Situationen”
Reality Check: Während Konkurrenten wie OpenAI und Perplexity bereits Millionendeals mit Publishern abgeschlossen haben, experimentiert Google noch mit Pilotprojekten. Das ist, als würde man während eines Hausbrands erstmal überlegen, ob man vielleicht eine Sprinkleranlage installieren sollte.
Was können Publisher tun?
Kurzfristige Maßnahmen
1. Technische Abwehr
# Block AI crawlers
User-agent: GPTBot
Disallow: /
User-agent: Google-Extended
Disallow: /
2. Rechtliche Schritte
- DSA-Beschwerden einreichen
- Urheberrechtsverletzungen dokumentieren
- Sammelklagen vorbereiten
3. Alternative Monetarisierung
- Direktverträge mit AI-Anbietern
- Premium-Content hinter Paywalls
- Newsletter-First-Strategien
Langfristige Strategien
Evolution statt Extinction: Publisher müssen sich neu erfinden. Einige vielversprechende Ansätze:
- Brand Building: Starke Marken, die User direkt ansteuern
- Community Focus: Aufbau loyaler Communities
- Unique Value: Content, den KI nicht replizieren kann
- Direct Relationships: Email-Listen und App-Nutzer
Die Zukunft: Drei mögliche Szenarien
Szenario 1: Der Kompromiss
Google und Publisher finden eine faire Lösung. Lizenzmodelle werden Standard, Publisher bekommen faire Vergütung, AI Overviews zeigen prominente Quellenangaben.
Wahrscheinlichkeit: 40%
Szenario 2: Die Regulation
EU zwingt Google per Gesetz zu fairen Bedingungen. Strenge Auflagen für AI-Content-Nutzung, hohe Strafen bei Verstößen.
Wahrscheinlichkeit: 45%
Szenario 3: Der Kollaps
Viele Publisher gehen unter, Medienlandschaft verarmt, Google dominiert Information komplett. Dystopische Zukunft mit Informationsmonopol.
Wahrscheinlichkeit: 15%
Was bedeutet das für AI-Automation Engineers?
Als AI-Automation Engineer stehst du mittendrin in diesem Konflikt. Hier sind die wichtigsten Takeaways:
Technische Implikationen
- API-Zugriffe könnten teurer/restriktiver werden
- Content-Sourcing wird komplexer
- Compliance-Requirements steigen massiv
Ethische Überlegungen
- Wie gehen wir fair mit Content-Erstellern um?
- Welche Verantwortung haben wir als Entwickler?
- Wie balancieren wir Innovation und Fairness?
Business-Opportunities
- Lizenz-Management-Tools werden wichtiger
- Content-Attribution-Systeme als neue Nische
- Fair-Use-AI-Modelle als Differenzierung
Praktische Next Steps
Für Entwickler
- Implementiere Content-Attribution in deinen AI-Systemen
- Respektiere robots.txt und Publisher-Präferenzen
- Baue faire Monetarisierungs-Modelle ein
Für Unternehmen
- Prüfe deine Content-Quellen auf rechtliche Risiken
- Schließe Lizenzverträge proaktiv ab
- Entwickle Publisher-freundliche AI-Lösungen
Für Publisher
- Dokumentiere AI-Traffic-Verluste für spätere Claims
- Experimentiere mit AI-Partnerschaften statt Blockade
- Baue direkte User-Beziehungen als Absicherung
Fazit: Die Schlacht hat gerade erst begonnen
Der Konflikt zwischen der deutschen Medienallianz und Google ist mehr als nur ein lokaler Streit - es ist ein Präzedenzfall für die globale Zukunft von Journalismus und KI.
Die zentrale Frage lautet: Können Journalismus und KI koexistieren, oder frisst die KI ihre eigenen Informationsquellen auf?
Was wir jetzt brauchen:
- Faire Vergütungsmodelle, nicht Token-Gesten
- Transparente AI-Systeme, die Quellen würdigen
- Nachhaltige Lösungen, die beiden Seiten nutzen
Die nächsten Monate werden entscheidend. Entweder finden wir einen Weg zur Koexistenz, oder wir erleben den Anfang vom Ende des freien Journalismus, wie wir ihn kennen.
Die Ironie dabei? Ohne qualitativ hochwertigen journalistischen Content hätte Google nichts, woraus seine KI lernen könnte. Es ist Zeit, dass Big Tech das erkennt - und entsprechend handelt.
Letzte Aktualisierung: 23.01.2025
Quellen: Corint Media Pressemitteilung, Press Gazette, eMarketer Industry Reports