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EU AI Act in Kraft: Was Unternehmen jetzt über die KI-Verordnung wissen müssen

Der EU AI Act ist seit August 2024 in Kraft. Erfahre alles über Risikoklassen, Pflichten und Fristen für KI-Systeme in der EU.

Robin Böhm
12. September 2025
7 min read
#AI #Regulation #Compliance #EU AI Act #Ethics
EU AI Act in Kraft: Was Unternehmen jetzt über die KI-Verordnung wissen müssen

TL;DR: Der EU AI Act ist seit 1. August 2024 in Kraft und bringt verbindliche Regeln für KI-Systeme. Erste Verbote gelten ab Februar 2025, vollständige Compliance für Hochrisiko-KI ab August 2027. Verstöße können bis zu 35 Mio. Euro oder 7% des Jahresumsatzes kosten.

Die Europäische Union hat mit dem AI Act (Verordnung EU 2024/1689) einen historischen Schritt gewagt: Das weltweit erste umfassende Regelwerk für Künstliche Intelligenz ist seit dem 1. August 2024 in Kraft. Was das konkret für Unternehmen bedeutet und welche Fristen jetzt ticken, erfährst du in diesem Artikel.

Die wichtigsten Fakten

  • 📅 Inkrafttreten: 1. August 2024 (offiziell in Kraft)
  • 💰 Maximale Strafen: Bis zu 35 Mio. Euro oder 7% des globalen Jahresumsatzes
  • 🎯 Zielgruppe: Alle Anbieter und Nutzer von KI-Systemen in der EU
  • 🔧 Ansatz: Risikobasierte Regulierung in vier Kategorien
  • 📊 Impact: Betrifft praktisch alle KI-Anwendungen von Chatbots bis Gesichtserkennung

Was ist neu?

Der AI Act führt erstmals verbindliche, EU-weit geltende Standards für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz ein. Die Verordnung verfolgt einen risikobasierten Ansatz, der KI-Systeme je nach Gefährdungspotenzial unterschiedlich streng reguliert.

Kernfunktionen im Überblick

Verbot unannehmbarer Risiken

  • Social Scoring durch Behörden
  • Echtzeit-Gesichtserkennung im öffentlichen Raum (mit wenigen Ausnahmen)
  • Manipulation und unterschwellige Beeinflussung
  • Verfügbarkeit: Ab 2. Februar 2025

Strenge Auflagen für Hochrisiko-KI

  • Betrifft: Gesundheit, Justiz, Personalwesen, kritische Infrastruktur
  • Anforderungen: Risikomanagement, Datenqualität, CE-Kennzeichnung
  • Verfügbarkeit: Vollständig ab 2. August 2027

Transparenzpflichten

  • Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten
  • Offenlegung bei Chatbots und Deepfakes
  • Dokumentation für General-Purpose AI (wie GPT)
  • Verfügbarkeit: Ab 1. August 2025 für GPAI

Technische Details

Die Verordnung definiert vier Risikoklassen mit unterschiedlichen Anforderungen:

RisikoklasseBeispielePflichten
Unannehmbares RisikoSocial Scoring, biometrische Massenüberwachung❌ Vollständiges Verbot
Hohes RisikoMedizingeräte, Personalauswahl, Kreditvergabe📋 Umfassende Compliance-Anforderungen
Begrenztes RisikoChatbots, Deepfakes, Emotionserkennungℹ️ Transparenz- und Kennzeichnungspflichten
Minimales RisikoSpamfilter, Videospiele✅ Keine zusätzlichen Pflichten

Vergleich mit bestehenden Ansätzen

AspektEU AI ActUS-AnsatzChina
RegulierungsformUmfassende VerordnungSektorspezifischStaatlich gelenkt
FokusGrundrechtsschutzInnovationKontrolle & Überwachung
DurchsetzungHohe StrafenVariabelStrikt
Open SourceTeilweise ErleichterungenKaum reguliertEingeschränkt

Was bedeutet das für die Praxis?

Für Entwickler

  • Dokumentationspflichten: Umfassende technische Dokumentation erforderlich
  • Datenqualität: Nachweispflicht für hochwertige Trainingsdaten
  • Testing: Verpflichtende Risikobewertungen vor Markteinführung
  • Migration: Bestehende Systeme müssen bis zu den Stichtagen angepasst werden

Für Unternehmen

  • Compliance-Kosten: Erhebliche Investitionen in Dokumentation und Prozesse
  • Wettbewerbsvorteil: Frühe Compliance kann zum Differenzierungsmerkmal werden
  • Innovationsdruck: Balance zwischen Regulierung und Innovation erforderlich
  • Schulungsbedarf: Mitarbeiter müssen in rechtkonformem KI-Einsatz geschult werden

Stimmen aus der Community

“Der AI Act ist ein wichtiger Schritt, aber die Umsetzung wird für viele KMUs zur Herausforderung.” — Dr. Sarah Schmidt, KI-Expertin beim Bitkom

“Endlich haben wir Rechtssicherheit. Das war längst überfällig für verantwortungsvolle KI-Entwicklung.” — Prof. Michael Weber, TU München

Die Reaktionen in der Tech-Community sind gemischt: Während große Unternehmen die Klarheit begrüßen, sorgen sich Start-ups um die Compliance-Kosten.

Roadmap & Ausblick

2. Februar 2025: Verbote für unannehmbares Risiko treten in Kraft 1. August 2025: Transparenzpflichten für General-Purpose AI 2. August 2026: Allgemeine Anwendung der meisten Bestimmungen 2. August 2027: Vollständige Pflichten für Hochrisiko-KI-Systeme

Was kommt noch?

Die EU-Kommission arbeitet bereits an:

  • Detaillierten Leitlinien für spezifische Branchen
  • Harmonisierten Standards für die CE-Kennzeichnung
  • Einem Europäischen KI-Büro zur Überwachung

Zeitplan der Inkraftsetzung

Der gestaffelte Zeitplan gibt Unternehmen Zeit zur Vorbereitung:

DatumEreignis
1. August 2024AI Act tritt offiziell in Kraft
2. Februar 2025Verbot von KI mit unannehmbarem Risiko
2. Mai 2025Verhaltenskodizes sollen bereitstehen
2. August 2025Pflichten für GPAI-Modelle
2. August 2026Beginn der allgemeinen Anwendung
2. August 2027Vollständige Compliance für Hochrisiko-KI

Verfügbarkeit & Kosten

  • Compliance-Schätzungen:

    • Start-ups: 50.000-200.000 EUR initial
    • Mittelstand: 200.000-500.000 EUR
    • Großunternehmen: 500.000+ EUR
  • Zertifizierungskosten: Je nach System 10.000-100.000 EUR

  • Laufende Kosten: Jährlich 10-20% der Initialkosten für Monitoring

Human-in-the-Loop als Sicherheitsnetz

Kritische Regel: Bei Hochrisiko-KI-Systemen muss immer eine qualifizierte menschliche Aufsicht gewährleistet sein.

Dies bedeutet konkret:

  • Menschen müssen KI-Entscheidungen überwachen und korrigieren können
  • Automatische Entscheidungen in kritischen Bereichen sind nur mit menschlicher Überprüfung zulässig
  • Unternehmen müssen nachweisen, dass ihre Mitarbeiter entsprechend geschult sind

Fazit

Der EU AI Act markiert einen Wendepunkt in der KI-Regulierung. Während die Compliance-Anforderungen durchaus herausfordernd sind, schafft die Verordnung auch dringend benötigte Rechtssicherheit. Unternehmen, die sich frühzeitig darauf einstellen, können dies als Wettbewerbsvorteil nutzen.

Die wichtigsten Erkenntnisse:

  1. Frühzeitig handeln: Die ersten Verbote greifen bereits im Februar 2025
  2. Risiken bewerten: Klassifiziere deine KI-Systeme nach den vier Risikokategorien
  3. Dokumentation aufbauen: Beginne jetzt mit der technischen Dokumentation
  4. Schulungen planen: Bereite deine Teams auf die neuen Anforderungen vor
  5. Chancen nutzen: Compliance kann zum Qualitätsmerkmal werden

Next Steps für Interessierte

  1. Risikoanalyse durchführen: Identifiziere, welche deiner KI-Systeme betroffen sind
  2. Compliance-Roadmap erstellen: Plane die Umsetzung entsprechend der Fristen
  3. Experten konsultieren: Hole dir bei Bedarf rechtliche und technische Beratung
  4. Dokumentation starten: Beginne mit der Erfassung deiner KI-Systeme
  5. Netzwerk aufbauen: Tausche dich mit anderen Unternehmen über Best Practices aus

Die KI-Revolution geht weiter – jetzt mit klaren Spielregeln. Die Herausforderung besteht darin, Innovation und Compliance in Einklang zu bringen. Unternehmen, die das meistern, werden die Gewinner dieser neuen Ära sein.


Letzte Aktualisierung: 12. September 2025 Quellen: EUR-Lex, EU-Kommission, Bitkom, BigData-Insider

Geschrieben von Robin Böhm am 12. September 2025