TL;DR: SAP plant kontinuierlichen Stellenabbau von bis zu 2.200 Jobs jährlich (1-2% der Belegschaft). Finanzchef Dominik Asam verglich dies mit “Zähneputzen”, was interne Empörung auslöste. Trotz Personalabbau erreichte die SAP-Aktie 2024 mit 205 Euro ein Allzeithoch, getrieben durch 24% Cloud-Wachstum.
Die Zahlen sprechen für sich - aber zu welchem Preis?
- ⚡ Bis zu 2.200 Jobs verschwinden jährlich
- 🎯 14% der deutschen Stellen bereits abgebaut (3.500 von 25.000)
- 📈 SAP-Aktie bei 205 Euro - Allzeithoch trotz Massenentlassungen
- 🤖 260 Milliarden Euro Börsenwert im September 2025
Aber wie kann ein Unternehmen gleichzeitig Rekorde feiern und massiv Personal abbauen? Die Antwort liegt in einem umstrittenen Programm namens “Mongoose” und einer neuen Unternehmensphilosophie, die Entlassungen zur Routine macht.
Das Problem: Wenn Stellenabbau zum “Zähneputzen” wird
SAP-Finanzchef Dominik Asam sorgte im September 2024 für einen Eklat, als er in einem Analystencall den geplanten kontinuierlichen Stellenabbau mit der täglichen Zahnpflege verglich. Seine Worte: “Das wird nichts Besonderes” - eine Aussage, die bei 109.000 SAP-Mitarbeitern weltweit für Entsetzen sorgte.
Das Frustrierende daran: Während die Belegschaft um ihre Jobs bangt, feiert die SAP-Führung 24% Wachstum im Cloud-Geschäft und plant massive Investitionen in Künstliche Intelligenz. Der Widerspruch könnte kaum größer sein.
Operation Mongoose: Ein Name mit bitterem Beigeschmack
Was ist “Project Mongoose”?
SAP hat seinem kontinuierlichen Stellenabbauprogramm den Codenamen “Mongoose” (Manguste) gegeben. Intern sorgt dieser Name für Unbehagen - und das aus gutem Grund:
Die CIA-Operation “Operation Mongoose” war in den 1960er Jahren der Versuch der US-Regierung, die kommunistische Führung Kubas zu stürzen. Die Parallele zu einer verdeckten, aggressiven Operation ist für viele Mitarbeiter mehr als ungünstig gewählt.
Der neue Normalzustand bei SAP
CEO Christian Klein präsentiert den Plan als moderne Unternehmensführung:
Phase 1: Next Level Transformation (2024)
- Abbau von 10.000 Stellen weltweit
- 3.500 Stellen allein in Deutschland
- Verlagerung nach Indien (Bengaluru)
Phase 2: Project Mongoose (ab 2025)
- Jährlich 1-2% der Belegschaft
- Kontinuierliche “Optimierung”
- Dauerhafte Anpassung statt großer Umstrukturierungen
Die Architektur des Abbaus
Wer trifft die Entscheidungen?
Das interne Performance-Ranking-System bestimmt, wer gehen muss. Die Kriterien? Für Mitarbeiter kaum nachvollziehbar. Die Transparenz? Praktisch nicht vorhanden. Das Ergebnis? Eine Atmosphäre der Angst und Unsicherheit.
Wohin gehen die Jobs?
Standort | Status | Trend |
---|---|---|
Deutschland (Walldorf) | -14% Stellen | ↓ Abbau |
Indien (Bengaluru) | +Neue Stellen | ↑ Wachstum |
USA | Stabil | → Halten |
Cloud/KI-Bereiche | +Investment | ↑ Ausbau |
Die Reaktionen: Von Empörung bis Resignation
Betriebsrat schlägt Alarm
Der europäische Betriebsrat warnt vor “langfristigen Schäden” für das Unternehmen:
- 🔴 Verlust von Talenten und Know-how
- 🔴 Sinkendes Kundenvertrauen
- 🔴 Zerstörung der Unternehmenskultur
- 🔴 Arbeitsverdichtung für verbleibende Mitarbeiter
Ein Betriebsrat bringt es auf den Punkt: “SAP hat in allen Dimensionen versagt, die Beschäftigte erwarten.”
Die Mitarbeiter-Perspektive
“Zu schnell, zu viel, zu oft” — SAP-Mitarbeiter (anonym)
Die Stimmung in Walldorf ist am Tiefpunkt. Mitarbeiter berichten von:
- Ständiger Angst vor der nächsten Kündigungswelle
- Überlastung durch fehlende Kollegen
- Verlust des Vertrauens in die Führung
- Abschiedsfeiern als neue Normalität
Der Kontext: Branchentrend oder SAP-Spezifikum?
Die Tech-Giganten im Vergleich
SAP ist nicht allein mit seiner Strategie:
Unternehmen | Stellenabbau 2024/2025 | Begründung |
---|---|---|
SAP | 10.000 + jährlich 2.200 | KI-Transformation, Cloud-Fokus |
Microsoft | 10.000 | Effizienzsteigerung |
12.000 | Wirtschaftliche Unsicherheit | |
Oracle | Tausende | Umstrukturierung |
Der Unterschied: Die Kommunikation
Während andere Unternehmen ihre Maßnahmen als notwendige Anpassung kommunizieren, macht SAP den Stellenabbau zur institutionalisierten Routine. Der “Zähneputzen”-Vergleich symbolisiert eine neue Ära der Entmenschlichung in der Corporate-Welt.
Die Ironie: Rekordgewinne trotz (oder wegen?) Stellenabbau
SAP in Zahlen
Cloud-Geschäft boomt:
- +24% Wachstum im Cloud-Bereich
- S/4HANA als Wachstumstreiber
- Massive KI-Investitionen geplant
Börsenerfolg:
- Aktie bei 205 Euro (Allzeithoch 2024)
- Marktkapitalisierung: 260 Milliarden Euro
- Analysten bleiben optimistisch (“Buy”-Empfehlungen)
Die bittere Wahrheit: Die Börse feiert den Stellenabbau. Jede Entlassung verbessert die Marge, jede Verlagerung nach Indien senkt die Kosten.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Für SAP-Mitarbeiter
Die neue Realität akzeptieren:
- Kein Job ist mehr sicher
- Performance-Rankings entscheiden über Karrieren
- Kontinuierliche Weiterbildung wird überlebenswichtig
- Der Wechsel zu anderen Arbeitgebern wird attraktiver
Für die deutsche Tech-Branche
SAP als größter europäischer Softwarekonzern setzt einen gefährlichen Präzedenzfall:
- Normalisierung von Dauerentlassungen
- Verlagerung von Expertise ins Ausland
- Erosion der deutschen Tech-Kompetenz
- Vertrauensverlust in Großkonzerne
Für Kunden und Partner
Die Frage bleibt: Wie lange kann SAP Qualität und Innovation aufrechterhalten, wenn erfahrene Mitarbeiter gehen und die Verbliebenen in ständiger Angst leben?
Human-in-the-Loop als Farce
SAP betont gerne den “Human-in-the-Loop”-Ansatz bei KI-Implementierungen. Die Ironie: Während Maschinen menschliche Kontrolle brauchen sollen, werden Menschen wie Maschinen optimiert und bei Bedarf ausgetauscht.
Fazit: Der Preis des Shareholder Value
SAP steht an einem Wendepunkt. Die Transformation vom mitarbeiterorientierten deutschen Traditionsunternehmen zum shareholder-getriebenen Global Player ist in vollem Gange.
Was wir beobachten:
- 📉 Ende der sozialen Marktwirtschaft bei SAP
- 📈 Triumph des angelsächsischen Kapitalismus
- 🤖 KI als Vorwand für Personalabbau
- 💔 Zerstörung einer Unternehmenskultur
Christian Klein und sein Management-Team mögen die Zahlen im Blick haben, aber sie verlieren dabei das Wichtigste aus den Augen: Die Menschen, die SAP zu dem gemacht haben, was es heute ist.
Die unbequeme Wahrheit
“Operation Mongoose” ist mehr als nur ein unglücklich gewählter Projektname. Es ist ein Symbol für eine neue Ära, in der Stellenabbau so normal wird wie Zähneputzen - nur dass dabei keine Plaque entfernt wird, sondern das Herzstück eines Unternehmens: seine Mitarbeiter.
Die SAP-Aktie mag Rekorde feiern, aber zu welchem Preis? Wenn Entlassungen zur Routine werden und Menschen zu Kostenfaktoren degradiert werden, verliert ein Unternehmen mehr als nur Mitarbeiter - es verliert seine Seele.
Quellen: Handelsblatt, Business Insider, Golem.de, WirtschaftsWoche
Update: Nach massiver interner und externer Kritik bedauerte Finanzchef Dominik Asam seine Wortwahl. Am grundsätzlichen Plan des kontinuierlichen Stellenabbaus ändert sich jedoch nichts.